Will mein Hund der Chef sein?

Author picture Pawshake  - aktualisiert: 11/08/2023

Hundeerziehung ist nicht immer ganz einfach. Natürlich liebst Du deinen Hund. Doch manchmal kann er Dich vielleicht auch leicht in den Wahnsinn treiben: Besucher und Passanten auf der Straße anbellen, andere Hunde anknurren, auf Deinen Sachen herumkauen oder Dich ignorieren, wenn Du ihn rufst. Auch als Hundesitter kann es eine Herausforderung sein, mit einem Hund zu arbeiten, der nicht auf Dich hört. Ist dieser Hund einfach nur dominant? Oder spielen hier andere Faktoren eine Rolle? 

Lange haben Hundetrainer nach der "Dominanztheorie" gearbeitet. Diese Theorie basierte auf der Annahme, dass ein Hund von Natur aus der Anführer des Rudels sein will, und daher immer versucht, die Alpha-Stellung in der Familie für sich zu beanspruchen. Viele unerwünschte Verhaltensweisen, wie Aggression oder das Ignorieren von Kommandos, wurden mit dieser Theorie erklärt: die Probleme wurden angeblich durch den Wunsch verursacht, "der Alphahund" zu sein. Einem Hundebesitzer (oder Hundesitter) wurde also geraten, eine dominierende Führungsrolle einzunehmen und unerwünschtes Verhalten mit Korrekturen oder Bestrafungen zu unterdrücken. Aber viele Wissenschaftler sind sich mittlerweile einig, dass die Dominanztheorie veraltet und falsch ist. Und zum Glück gibt es eine viel freundlichere Art und Weise, unsere Hunde zu erziehen und zu trainieren!

Harmonie im Rudel

Damals basierte die Forschung zur Dominanztheorie auf Wölfen, die in Gefangenschaft gehalten wurden. Wölfe in der Natur Verhalten sich jedoch wesentlich harmonischer untereinander. Ihre Rudel sind einer menschlichen Familie nicht unähnlich. Der Haushund verhält sich auch viel mehr nach diesem "harmonischen Rudel-Modell". Dies bedeutet, dass Dein Hund nichts weiter möchte, als mit jedem Mitglied der Familie gut auszukommen. Hunde wollen dich nicht dominieren, sondern sie wünschen sich eine gute Beziehung zu Dir und den anderen (menschlichen) Mitgliedern des Haushalts.

Wölfe in freier Wildbahn (und auch Haushunde) kämpfen und konkurrieren nicht gerne miteinander. Es gibt zwar eine "Hierarchie" im Rudel, aber die ist völlig situationsbedingt. Der Anführer ist derjenige, der die Gruppe in diesem Moment am besten führen kann. Doch diese Rolle kann sich bei Bedarf ändern.

Aber warum benimmt sich mein Hund dann so? 

Wenn Dein Hund Dich nicht "dominieren" will, warum zeigt er dann dieses anti-soziale Verhalten? Warum bellt ein Hund beispielsweise?  Oder warum zeigen einige Hunde Aggression? Dafür kann es viele Gründe geben. Zum Glück helfen uns Hunde durch ihre Körpersprache, diese Gründe zu verstehen. 

Dein Hund wird im Voraus immer subtile Warnsignale geben. Zum Beispiel, wenn Dein Hund sieht, dass ein anderer Hund sich aus der Ferne nähert, achte genau auf seine Körpersprache, seine Haltung und sein Verhalten. Vielleicht zeigt er unmittelbare Angst: Rute tief oder geklemmt, Lippen lecken, gähnen. Das alles sind Anzeichen, dass Dein Hund unruhig ist und in Ruhe gelassen werden will. Wenn Hundebesitzer oder Hundesitter diese Signale übersehen und die Hunde interagieren lassen oder sie sogar zur Interaktion zwingen, kann es zur Eskalation kommen: Knurren, Schnappen oder gar Beißen. Das Verhalten des Hundes könnte als Versuch interpretiert werden, mit Aggression zu dominieren, doch in Wirklichkeit hatte er Angst, und hatte dies bereits - vergebens - mitgeteilt.

Gleiches gilt für Situationen zu Hause. Vielleicht passieren zu Hause Dinge, die dem Hund Stress oder Unbehagen bereiten: laute Kinder, andere Haustiere, Mangel an Ruhezeiten, oder zu wenig Aktivität und Reize. Vielleicht ist Dein Hund einfach schüchtern oder unsicher und verhält sich "hart", um seine Unsicherheit zu überspielen. Oder vielleicht hat Dein Hund Schmerzen und möchte nicht angefasst werden. Im Zweifelsfall ist es immer eine gute Idee, einen Tierarzt zurate zu ziehen.

Lerne die Körpersprache Deines Hundes kennen, damit Du verstehst, was er braucht, um mental und körperlich ausgewogen und glücklich zu bleiben. 


 

Braucht ein Hund einen starken Führer?

Auf jeden Fall braucht ein Hund einen engagierten und geduldigen Führer. Das heißt, Du als Hundebesitzer oder Hundesitter musst Dir die Zeit nehmen, das Verhalten des Hundes zu beobachten, um seine Sichtweise zu verstehen. Wenn ein Hund unaufhörlich bellt oder nicht hört, wenn Du ihn rufst, kann es mehrere Gründe dafür geben. Vielleicht hat Dein Hund Angst, ist gelangweilt, gestresst, hat zu viel Energie, ist krank oder hat eine traumatische Erfahrung gemacht. Dein Hund braucht also eher einen Partner und Freund als einen Chef.

Außerdem entspricht es nicht der Rolle des Rudelführers, einfach nur die "Macht" zu haben. Praktiken wie etwas zu essen bevor Dein Hund frisst, oder als erster durch die Tür zu gehen, um klar zu machen, dass Du der Chef bist, sind völlig unnötig. Ein Hund versteht gar nicht, was das bedeuten soll. Selbst Hunde, die vor Dir durch die Tür gehen, tun das nicht, weil sie die Macht ergreifen wollen. Es ist eher umgekehrt. Der Anführer bleibt hinten im Rudel und behält einen Überblick über die Gruppe, die er beschützt. Wenn Dein Hund ein paar Meter vor Dir läuft, tut er das einfach nur, um die Gegend zu erkunden. Das macht ihm Spaß!  Lies mehr darüber, wie man mit mehreren Hunden Spazieren geht. 

Es ist jedoch wichtig, deutlich und konsequent zu sein, indem Du Deinem Hund verständlich machst, was Du von ihm möchtest. Hunde wollen nichts weiter als ein friedliches Zusammenleben, und Dein Hund wird daher sein bestes tun, wenn er erst einmal versteht, worum es geht. 

Wie soll ich meinen Hund erziehen und trainieren?

Natürlich braucht jedes Haus seine Regeln, auch in "harmonischen Rudeln". Aber Regeln sind ein Mittel, um friedlich zusammen zu Leben; sie dienen nicht für Machtkämpfe. Zum Beispiel: Du möchtest nicht, dass Dein Hund auf Dein Bett springt. Das ist völlig in Ordnung! Aber denk daran, dass Dein Hund sich nur deshalb auf Deinem Bett aufhalten will, weil es bequem ist und weil er in Deiner Nähe sein will. Das Bett riecht nach Dir, was Dein Hund als beruhigend empfindet. Deshalb bestrafe Deinen Hund nicht dafür, dass er aufs Bett springt, sondern zeige ihm, was Du von ihm möchtest. Bringe ihn an einen anderen bequemen Platz, wo er sich aufhalten darf, und loben ihn dort.

Warum funktioniert Bestrafung nicht?

"Schlechtes" Verhalten zu korrigieren kann vorübergehend wirksam sein, um das unerwünschte Verhalten zu stoppen, aber dieser Ansatz kann langfristig zu Problemen führen. Das hast Du vielleicht in populären Fernsehprogrammen gesehen, wo eine kurze Korrektur einen Hund dazu bringt, sofort zu hören. Der Hund wird gehorchen, aber nur aus Angst vor Strafe. Wenn man das stets aufs Neue tut, basiert die Bindung zwischen Besitzer und Hund auf Misstrauen und Angst. Glücklicherweise gibt es einen besseren Weg.

Es ist besser, gutes Verhalten zu belohnen und unerwünschtes Verhalten umzuleiten. Kaut dein Hund auf Deinen Schuhen herum? Dann bewahre Dein Schuhe außerhalb der Reichweite des Hundes auf, und gib ihm etwas anderes zum Kauen. Bellt er Passanten an? Lenke Deinen Hund ab, beispielsweise mit einem Ballspiel, und belohne ihn entsprechend. Rennt Dein Hund auf andere Hunde zu? Lenke seine Aufmerksamkeit auf Dich und lobe ihn, wenn er einen anderen Hund ignoriert oder freundlich begrüßt. Mit diesem Ansatz dauert es unter Umständen etwas länger, um unerwünschtes Verhalten zu ändern, und es erfordert mehr Geduld. Doch das ist es Wert: Du baust eine lebenslange freundschaftliche Bindung zu Deinem Hund auf, basierend und Vertrauen!

Sprich mit Deinem Hundesitter

Geht Dein Hund regelmäßig mit einem Hundesitter spazieren? Oder wird er manchmal beim Hundesitter zu Hause betreut? Erzähle Deinem Hundesitter so viel wie möglich über Deinen Hund, sodass er weiß, was er in sozialen Situationen zu erwarten hat. Kläre den Sitter darüber auf, wovor Dein Hund Angst hat, mit welcher Art von Hunden er gerne spielt, was er mag und was nicht. Informiere Deinen Hundesitter über die Körpersprache und Persönlichkeit Deines Hundes. So kann dieser dabei helfen, Problemverhalten zu verhindern und Harmonie im Rudel zu bewahren.